ARTIKEL: Vier Eckpfeiler für wirkungsvolle Veränderungsprozesse

Bewusste Entwicklung braucht Aufmerksamkeit, Sinn, Resilienz und Freiraum!

Veränderungsprozesse, egal ob persönlicher oder organisationaler Art, brauchen viel Fokus, Energie und Klarheit. Es ist wichtig zu wissen, wohin man sich entwickeln möchte und wie der Weg oder die Richtung zu diesem Zielzustand aussehen kann. Doch noch viel wichtiger als der Plan und die strategische Ausrichtung ist der Sinn, der mit dem Veränderungsvorhaben verfolgt wird. Denn der Sinn, oder auch Purpose, ist sowas wie der Motor für die Veränderung. Wenn ich nicht weiß, wofür der ganze Aufwand, dann fehlen oft Motivation und Antreiber.

Wenn wir den Blick jetzt besonders auf organisationale Transformationsprozesse legen, dann wird es mit dem Durchführen einer Veränderung immer dann schwierig, wenn der Gesamtorganisation der Sinn dahinter fehlt, denn dann verstärkt sich häufig die Haltung an Altbekanntem festzuhalten, wodurch meistens Widerstände gegen das Neue entstehen. Das Neue könnte zum Beispiel die Einführung eines neuen Führungsverständnisses; neue Arbeitswege, Strukturen und Prozesse (z.B. Agilität); die Nutzung digitaler Tools; neue Wertevorstellungen & Facetten der Unternehmenskultur; ein neues Geschäftsmodell; eine veränderte Identität & Arbeitgebermarke oder eine interne Umstrukturierung sein.

Das ist ähnlich wie bei der Persönlichkeitsentwicklung: wenn ich den Sinn meines veränderten Verhaltens und neuen Haltung nicht sehe, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass ich die Entwicklung entweder gar nicht angehe oder abbreche.  Oder es entsteht, gerade heute in Zeiten des stetigen Change eine „Alibi Veränderung“, sozusagen Change des Change Willens, aber nachhaltig verändert wird leider meistens wenig.

 

Was benötigt man für die Sicherstellung eines sinnvollen, wirksamen Transformationsprozesses?

Gerade aufgrund auftretender Widerstände und Unsicherheiten hinsichtlich des Veränderungsvorhabens sollte man einige Aspekte aufmerksam in den Blick nehmen. Dies gilt ganz besonders für Treiber einer organisationalen Veränderung (Geschäftsleitung, Leadershipteam, HR, Change Agents, etc.)

Die 4 Eckpfeiler für wirkungsvolle Veränderungsprozesse

Wirkungsvolle Transformation kann in meinen Augen nur gelingen, wenn folgende vier Phasen beachtet werden:

  1. FUNDAMENT BEWAHREN: auf Bestehendem aufbauen und damit Sicherheit geben
  2. SINNHAFT RAHMEN: den Sinn des Neuen aufzeigen und (als Führungskraft) vorleben
  3. INNEN STABILISIEREN: den Blick (der Organisation) nach innen richten und Resilienz aufbauen
  4. RAUM GEBEN: der stabilen Organisation Impulse geben & Freiräume lassen sich neu zu erfinden

 

Im Detail:
  1. FUNDAMENT BEWAHREN: auf Bestehendem aufbauen und damit Sicherheit geben

Wenn es um Verbesserung und Entwicklung geht, tendieren wir schnell dazu bei anderen zu schauen und dann auf erfolgreiche Ansätze aufzuspringen. Denn man könnte meinen, was andere zum Erfolg führt, muss richtig sein und uns auch helfen können. In einigen Fällen mag der Erfolg auch eintreffen, doch was dabei oft vergessen wird, ist die Individualität und Eigenart jedes Menschen und jeder Organisation. Standardlösungen sind oft einfacher, kosteneffektiver und schneller anwendbar, doch gerade bei Transformationsprozessen ist man gut damit beraten sich etwas mehr Zeit zu lassen und den Ausgangszustand und Status Quo genauer zu analysieren, um dann darauf aufbauend das Veränderungsdesign zu planen. Hierbei kann eine Kulturanalyse helfen, um ein ganzheitlicheres Bild der eigenen Organisation zu bekommen und zu verstehen, wo genau man aktuell steht. Denn oft vergessen wir, dass vieles schon gut läuft und wir wichtige Ressourcen haben, die wir als Sicherheit gebendes Fundament nutzen sollten, um uns und die Organisation darauf aufbauend zu entwickeln.

Manchmal wissen wir doch auch noch gar nicht wohin wir uns und was wir konkret entwickeln wollen, sondern wir spüren nur – für uns persönlich oder als Führungsteam einer Organisation – einen gewissen Veränderungsdrang und Entwicklungswunsch, welcher nicht selten aus dem Markt- oder Konkurrenzdruck resultiert. Dieser Drang oder diese Unsicherheit ist in heutigen disruptiven Zeiten nicht ungewöhnlich. Der renommierte Forscher Prof. Otto Scharmer vom MIT, mit dessen Ansatz Theorie U als Framework ich häufig Entwicklungsprozesse begleite, spricht von „Leading from the emerging future“. Das bedeutet soviel, dass wir mit unseren bisherigen Methoden an Grenzen stoßen und uns mitten in einem großen Wandel befinden. Das bedeutet auch, dass wir bezogen auf viele Arbeitsbereiche nicht wissen wie die Zukunft aussehen wird (vgl. New Work, New Leadership, Digitalisierung, Künstliche Intelligenz, Generationswandel).

Aktuell zeigen sich viele Initiativen und Ansätze spielerisch neue Wege und Ansätze in der Arbeitswelt auszuprobieren und zu kreieren. Der U Prozess ist ein wirksamer Ansatz, der über das Innehalten und Schulen von Aufmerksamkeit genau dieses „von der Zukunft her“ denken und handeln mit der Person und Organisation übt.

„Im Kern schlägt der U-Prozess vor, nicht von der Herausforderung zur Handlung zu springen, sondern bewusst die Struktur der eigenen Aufmerksamkeit zu gestalten. In dieser bewussten Gestaltung der eigenen Aufmerksamkeit liegt ein Hebel, Zukunftsmöglichkeiten wahrzunehmen und aus ihnen heraus zu handeln.“ (Otto Scharmer)  

 

  1. SINNHAFT RAHMEN: den Sinn des Neuen aufzeigen und (als Führungskraft) vorleben

Wenn mir der Sinn einer Veränderungsinitiative klar genug ist, ich mir sicher bin das dies für mich als Person und Organisation passend ist und ich motiviert bin das Neue auszuprobieren und umzusetzen, dann kann ich (als Führungskraft) für diese Veränderung stehen und das Neue verkörpern, vorleben und treiben. Hier spielt die Frage nach dem WARUM eine große Rolle: Warum sollen wir uns verändern? Welchen Mehrwert hat das für mich und uns? Welche Wirkung hat das für den Markt und unsere Umwelt? Und von immer größerer Bedeutung: Welche Wirkung hat das auf unseren Planeten?

Wie viele Studien bereits belegen, hat das Modell der extrinsischen Motivation ausgedient. In heutigen Zeiten zählt die Kraft der intrinsischen Motivation, d.h. um mich und meine Mitarbeiter von innen heraus zu motivieren, braucht es eine Verbindung mit dem Sinn und Klarheit über den eigenen Beitrag dazu.

Erst wenn wir eine Antwort auf das WARUM der Veränderung gefunden haben, kann ein authentischer Rahmen für die Transformation, der Richtung und Sinn verdeutlicht, konzeptualisiert, kuratiert und transparent gemacht werden. Nichts ist wirkungsvoller als ein Leader oder Leadership Team, die vorleben und selbst umsetzen, was sie sich von ihren Mitarbeitern wünschen; und nichts gibt mehr Halt als ein klar durchdachter, mit Sinn gefüllter Rahmen mit Platz für eigene Beiträge und Freiraum.

“Energy follows attention. Wherever you place your attention, that is where the energy of the system will go. “Energy follows attention” means that we need to shift our attention from what we are trying to avoid to what we want to bring into reality.” (Otto Scharmer)

Der Rahmen für eine wirkungsvolle Veränderung entsteht, in dem sie vermenschlicht wird und Menschen anderen Menschen das Neue vorleben. Der mit Sinn gefüllte Zielzustand wird für alle Beteiligten greif- und spürbar und die Hemmungen sich zu verändern fallen wesentlich geringer aus.

Ein gutes Beispiel ist die Veränderung der Führungskultur: Wenn ich mir weniger Ellenbogenmentalität und ein kollegiales Miteinander bereichsübergreifend wünsche, dann ist es hilfreich dieses Verhalten selbst zu initiieren und mich z.B. mehr mit meinen KollegInnen, auch bereichsübergreifend, auszutauschen und abzustimmen.

Ein alt bekanntes und weiterhin aktuelles Zitat dazu: „Be the change you want to see in this world“ (Mahatma Gandhi)

Mehr zu Veränderung von Kultur unter: Kulturveränderung.

 

  1. INNEN STABILISIEREN: den Blick (der Organisation) nach innen richten und Resilienz aufbauen

“The one thing that I have learned from all these projects is that the key to transformative change is to make the system sense and see itself again.” (Otto Scharmer)

Jeder Change Prozess wird dann zur Transformation, wenn der Blick nicht nur zum Entwicklungsziel, geht, sondern auch nach innen, auf die eigenen Ressourcen und Eigenheiten und so Aufmerksamkeit zur Stärkung und Verbindung der Organisation fließt, um das Neue kraftvoll umzusetzen. So entsteht ein starkes Fundament für bewusste, wahrhaftige Entwicklung.

Wie soll eine Veränderung gelingen, wenn die Organisation keine Stärke, Motivation und Widerstandskraft besitzt?

Verdeutlichen wir uns das anhand von persönlichen Entwicklungsprozessen: Wenn ich mich verändern will oder muss, aber keine volle Kraftquelle habe, aus der ich schöpfen kann, dann überfordere ich mich und die Chance auszubrennen ist sehr hoch. Auch auf der Organisationsebene kann Überforderung, Erschöpfung oder Veränderungsmüdigkeit entstehen, vor allem in Zeiten des konstanten Change.

Wenn wir eine Organisation ausrüsten möchten, in Zeiten stetiger Veränderung zu bestehen, dann braucht es Resilienzförderung.

Resilienz ist eine ganz entscheidende Schlüsselkomponente für erfolgreiche Transformation.

Resilienz steht für

  • Resistenz, also Widerstandskraft, bildlich: „der Fels in der Brandung“
  • Rekonfiguration, also Flexibilität, bildlich: „ein Mobilé“
  • Regeneration, also Erholungsfähigkeit & neue Wege, bildlich: „die Bambuspflanze“

Widerstandskraft, Flexibilität, Erholungsfähigkeit und neue Wege – alles wichtige Facetten für umsetzungsstarke Organisationen. Wenn wir eine Organisation von innen betrachten, dann sehen wir in erster Linie Menschen und Menschen benötigen Kraft und Motivation, um sich zu verändern.

Resilienz ist also die Grundvoraussetzung in heutigen Zeiten der stetigen Veränderung, bestehen zu können. Und das besondere an der Resilienz ist, dass sie via Wachstums- und eine Art Dominoeffekt über verschiedene Ebenen die Organisation im Ganzen stärken und ausrüsten kann:   Der Resilienzkreislauf verdeutlicht, dass man parallel auf verschiedenen Ebenen ansetzen kann, um die Resilienz der gesamten Organisation zu stärken. Folgende Maßnahmen können sinnvoll sein, um Resilienz zu fördern:

 

  1. RAUM GEBEN: der stabilen Organisation Impulse geben & Freiräume lassen sich neu zu erfinden

Und wenn ich die Resilienz meiner Organisation fördere und eine gewisse Stabilität und Basis entsteht, werden sich ganz automatisch freie Denk- und Kreativräume öffnen. Wer sich sicher und gestärkt fühlt, hat Platz für Kreativität, neue Ideen und Innovationen. Das heißt aber auch, echte Entwicklung braucht Freiheit, offene Denkräume und ein Entstehen-lassen.

Gerade wenn wir den Wunsch nach mehr Sinn verfolgen, an New Work, neue Arbeitswelten und New Leadership denken, wird es Zeit alte vergangene Muster loszulassen. Nur wenn eine Organisation Freiräume zulässt, sich selbst zu entwickeln und zu finden, dann entsteht der Sinn in der Entstehung und Schöpfung des Neuen von ganz alleine und viele Mitarbeiter der Organisation sitzen motiviert mit im Boot, weil sie von Anfang an die neue Richtung spüren und aktiv an der Umsetzung beteiligt sind.

Aktuell lässt sich leider noch oft beobachten, dass das scheinbar Neue eigentlich etwas Bekanntes in neuem Gewand ist. Ein gutes Beispiel ist die Umstellung auf agile Prozesse, welche oft nur eine Prozesseinführung bleibt, anstatt eine Kulturveränderung zu sein. Agilität ist so viel mehr als nur ein neuer Prozess, es ist eine Haltung und Einstellung zum gemeinsamen Arbeiten und Führen.

Neue Wege einzuschlagen und die altbewerten Vorgehensweisen zu verlassen, bedeutet meistens auch Herausforderungen und Risiko einzugehen. Doch Herausforderungen verkörpern doch auch eine wirklich aufregende, spannende Seite.

Wahre Transformation ist vergleichbar mit dem Laufen eines Trampelpfads anstatt der asphaltierten Strasse.

Asphaltierte Strassen sind leicht befahrbar, mit bewährten Fahrzeugen und Fortbewegungsmitteln. Wenn ich mich aber für den Trampelpfad entscheide, dann ist der meistens nicht befahrbar wie ich es gewohnt bin, sondern ich muss immer wieder neu ausprobieren wie ich hier vorwärtskomme. Der Weg ist anders, wird zwischendurch vielleicht auch mal schwer sichtbar sein oder matschig, doch am Ende kommt man immer irgendwo an: meistens bei neuen Erkenntnissen über sich selbst, denn man ist einen Weg gelaufen, der nicht immer ausgeschildert oder einfach war.

Wie könnte denn so ein Trampelpfad der Organisationsentwicklung aussehen?

Man entscheidet sich für Veränderung, hat im besten Fall eine grobe Richtung oder einen Sinn dieser Veränderung im Blick, und läuft los… Auf einem Trampelpfad benötigt man einen guten inneren Kompass, um die richtige Richtung zu finden. Dafür also die Stabilisierung von innen (siehe Punkt 3), denn Beschilderungen und Nebenwege gibt es hier selten. Erst durch Weiterlaufen und Bewegen tun sich neue Wege, Erkenntnisse und Eigenschaften auf. Dafür braucht es Mut und Gelassenheit.  

“The ability to shift from reacting against the past to leaning into and presencing an emerging future is probably the single most important leadership capacity today.” (Otto Scharmer)

Hier muss man sich natürlich die Frage stellen, wieviel gebe ich vor, z.B. als Geschäftsleitung und wieviel lasse ich los.

Die Polarität aus Kontrolle und Loslassen ist essentiell für das Entstehen von neuen Wegen und Innovationen.

Hier gibt es kein Richtig und kein Falsch, hier gibt es nur den Weg und Grad an Freiheit, der sich für euch als Organisation gut anfühlt und der handhabbar ist. Natürlich kann es auch sein, dass der neue Weg nicht der für alle Mitarbeiter und Führungskräfte ist, auch hier ist loslassen gefragt. Wenn ich weiß, dass alleine die Entwicklung sinnvoll ist, dann habe ich Vertrauen, dass die passenden Leute bleiben und ich neue Leute anziehen werde (neue Identität und Arbeitgebermarke), um kraftvoll und resilient das Tagesgeschäft umzusetzen und immer wieder Veränderungswellen anzustoßen und durchzuhalten. Wie ein Fels in der Brandung, ein Mobilé und ein Bambusrohr zu gleich – stabil & robust sowie beweglich & flexibel.

Filmempfehlung dazu: „Die stille Revolution“ von Kristian Gründling – über die radikale Veränderung der Unternehmenskultur bei der Upstalsboom Hotel + Freizeit GmbH & Co. KG.

 

Wenn Ihr Lust auf wirksame und bewusste Transformation habt, freue ich mich von dir und euch zu hören. Telefon: 030-82079743 Mail: contact@seekandfind.me  oder Kontaktformular.

 

News speziell für Leser aus dem Mittelstand:

Im Zuge dieser Bundesinitiativen biete ich Workshops zur Resilienzförderung an, mehr dazu hier: Workshop:  Gelassenheit und Mut – Wie wir eine gesunde Haltung zu (digitaler) Veränderung finden

Mehr Informationen zu diesem Format in folgendem Artikel: Digitaler Wandel ist auch eine Frage der inneren Haltung: Wie entwickelt man Mut und Gelassenheit dafür? 

 

Photocredit: Evandro Saroka (unsplash.com)

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